Letztens las ich einen guten Tipp. Man solle doch 15 Minuten früher aufstehen und ganz in Ruhe den Tag beginnen. Und nicht aufs Smartphone gucken. Und nicht unter der Dusche schon an alle Termine des Tages denken. Sondern etwas Dehn- und Streckübungen machen oder vor dem ersten Kaffee ein erstes Glas Wasser trinken. Vielleicht auch Meditieren, beten oder die Stille genießen. Und das alles soll der Hektik am Morgen entgegenwirken.
Ja, danke auch. Das werde ich dann mal versuchen.
Statt um 5:45 Uhr wache ich um 5:30 Uhr auf. Und mit mir das 20 Monate alte Kind. Denn obwohl es abends im Kinderzimmer im Gitterbett einschläft, so liegt es merkwürdigerweise morgens in unserem Bett. Das ist Magie. Oder schlechter Schlaf. Oder Nähebedürfnis. Oder wir Eltern sind einfach nur faul.
Statt um 6:00 Uhr werde ich nun schon um 5:45 Uhr angebrüllt. Beim Kontaktlinseneinsetzen.
Statt um 6:01 Uhr wird das große Kind nun schon um 5:56 Uhr wach durch das Gebrüll.
Statt um 6:05 Uhr werde ich nun schon um 5:50 Uhr angebrüllt. Weil ich die Frechheit besitze, ihn auf den Boden zu setzten bei meinem Toilettengang.
Statt um 6:10 Uhr wird mir nun schon um 5:55 Uhr beim Teekochen wahlweise Teepackung oder Löffel aus der Hand gepfeffert.
Statt um 6:11 Uhr werde ich nun schon um 5:56 Uhr angebrüllt, weil ich das mit Teepackungen werfende Kind auf den Boden setze.
Statt um 6:15 Uhr werde ich nun schon um 6:00 Uhr ungeduldig angebrüllt, weil es dem Kind nicht schnell genug geht mit dem Bananen-Quark-Zubereiten.
Statt um 6:30 Uhr kann ich nun schon um 6:15 Uhr die Überreste der Frühstücksschlacht wegwischen.
Statt um 6:35 Uhr höre ich nun schon um 6:20 Uhr das große Kind jammern über klebrige Zahnpastatuben, darüber, dass Hände nach dem Klogang gewaschen werden müssen und dass Socken an der Spitze drückende Nähte haben.
Statt um 6:45 Uhr ist mein großer Sohn schon um 6:30 Uhr angezogen.
Statt 15 Minuten langweilt er sich nun ganze 30 Minuten bis der Taxibus ihn abholt.
Statt um 6:50 Uhr suche ich nun schon um 6:35 Uhr hektisch nach Unibüchern, Einkaufslisten, Schlüssel und Kindersocken.
Dann fällt mir auf, dass es erst 6:35 Uhr ist und ich suche nicht mehr ganz so hektisch.
Das beruhigt und ich trinke noch schnell ein erstes Glas Wasser und eine erste Tasse Kaffee.
Dehnübungen brauch ich nicht, ich bin schon unter dem Küchentisch gekrochen.
Nun such ich zusätzlich zur Kindermütze nur noch die Stille, die ich ganze 15 neu gewonnene Minuten lang genießen will.
Mütze gefunden.
Morgen stehe ich wieder um 5:45 Uhr auf.