Es gibt genügend Gründe, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen und völlig aus der Haut zu fahren, schreiend alles auf den Boden zu werfen und schimpfend aus dem Zimmer zu laufen. Auch wenn man mit sechs Jahren dem Trotzalter ( ach nee, der Autonomiephase, wie man heutzutage diesen nervenraubenden Lebensabschnitt eines Kleinkindes nennt) längst entwachsen ist und auch noch nicht die Vorpubertät erreicht hat.
Wenn plötzlich klar wird, dass die wunderschöne neue Stoffkatze gar keine Schnurrhaare hat, dann geht mindestens die Welt unter. Ich, die meinen Sohn auch noch darauf aufmerksam gemacht hat, bin nun der Sündenbock und die Katze plötzlich unperfekt und muss als Strafe auf dem Boden des Bahnhofs liegen bleiben. Das persönliche Glück ist in Gefahr, die geliebten Dinge nicht so wundervoll wie geglaubt.
„Das ist ne Superkatze, die hat Laseraugen und braucht gar keine Schnurrhaare.“
Meine Bemühnungen hätte ich mir sparen können, bis nach Hause und auch dort noch wird gejammert und gemotzt. 90 Minuten lang. Meine tröstenden, kreativen und schimpfenden Worte helfen nicht. Fünf Minuten höre ich Vater und Sohn im Kinderzimmer sprechen und dann ist die Welt wieder in Ordnung, die Katze wird wieder gemocht und die Stimmung ist wieder gut. Wie macht der Mann das?
Ein Löffel, der im Zimtzucker fehlt und den das Kindlein doch bitte aus der Küche holen soll, ist Anlass für eine Viertelstunde Schimpftirade. Die persönliche Freiheit ist in Gefahr. Ventuell tut man einer anderen Person einen Gefallen damit, was mitunter eine Einschränkung für einen selbst bedeuten könnte. Es wird gejammert, gestöhnt und der Löffel wird auf den Tisch gepfeffert.
Das ist das Flegelalter, sagt eine Freundin und zweifache Mutter zu mir tröstend.
Das ist einfach nur nervig, denke ich.
Das Leben ist ein Geben und Nehmen, so wünsche ich es mir jedenfalls und denke dabei an so schöne Situationen, wo mein Flegel-Trotz-Sohn das Fünftel Schokokuchen, das auf der Kindergartenfeier nicht aufgegessen wurde, voller Nächstenliebe zu obdachlose Menschen trägt und ihnen schenkt. Die Freude in den Augen dieser Menschen erfüllt unds mit Glück. Die Freude in seinen Augen, wenn er erfährt, dass er ein Fahrrad geschenkt bekommt, gebraucht von einer Familie, die es nicht mehr braucht, die ist ebenso glückserfüllend. Geben und Nehmen und Nächstenliebe.
An normalen Tagen grüßt mich aber eher das rücksichtlslose Ego-Murmeltier. Jeden Tag.
Ungewaschende Hände hat es, es knallt mit Türen und wechselt seine Socken nur mit Nachdruck. Es jammert und motzt, dreht den Lautstärkeregler des CD-Players so laut, dass auch die Nachbarin mitgegrüßt werden vom Murmeltier und schmatzt beim Essen. Es ist erziehungsresistent und macht gerne aus Mücken Elefanten. Am wichtigsten sind ihm die persönliche Freiheit und Glück. Aber bitte nur nehmen, nicht geben.