Minimalismus und Ansprüche

Beim ersten kommt es anders, beim zweiten als man denkt. Jedenfalls bei unseren Kindern.  Was genau ich mir vorher gedacht habe, weiß ich nicht, aber ganz bestimmt nicht, dass ich so viel Zeit in Kliniken, sozialpädiatrischen Zentren, bei Ärzten, Fachärzten und Klinikärzten und bei Therapeuten verbringe. Man wächst mit den Aufgaben im Leben. Habe ich mich vor vier Jahren bei meinem damals Zweieinhalbjährigen schrecklich aufgeregt, weil sein einer Backenzahn kariös war trotz strenger Zahnhygiene, so bin ich mittlerweile bei unserem Baby, das grauen Star hat und der Verdacht auf eine erblich bedingte Stoffwechselerkrankung besteht, erstaunlich entspannt. Woran mag das liegen? An drei Dingen: Ansprüche runterschrauben, das Beste hoffen und sich an allen schönen Dingen freuen. Minimalismus im Denken. Wer viel besitzt, der kann sich um all diese Dinge sorgen. Wer wenig hat, sorgt sich automatisch um weniger Dinge. Eine leere Wohnung im Kopf. Ein leeres Regal im Wohnzimmer. Den Kopf entrümpeln wie den Schrank mit den Plastikdosen in der Küche. Bestimmte Dinge kann man nicht ändern. Krankheiten zum Beispiel. Rumpelschränke schon. Der im Flur hat zwei Fächer voller Schals. Mein Sohn hilft und geht dagegen an mit gelebtem Minimalismus. Kein Schal, der mit zur Schule genommen wurde, kam je zurück.

Zum Frühstück koche ich Hirsebrei. Er köchelt. Er quellt. Zehn Minuten. Fünfzehn Minuten. „Du kannst noch spielen gehen, ich rufe dich dann.“ –  „Mama, ich hab aber Hunger!!“ Das Kind sitzt ungeduldig und hungrig am Tisch. „Das essen kocht aber nicht schneller, wenn Du hier sitzt.“ Bestimmte Dinge kann man nicht ändern. Ich finde meine Antwort selber doof. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht. Nach dem Kochen ist die Hirse noch heiß. Ansprüche runterschrauben, man kann die Dinge nicht ändern. Oder doch, denkt sich das Kind und stellt die Hirse in das Eisfach.

Vor der Uni kaufe ich mir morgens im Supermarkt einen Apfel zum Frühstück. Minimalismus. Hinter mir kauft sich Jemand eine Flasche Korn. Auch Minimalismus. Kann man das ändern? Ich möchte mich nicht abfinden damit, dass manche Menschen morgens Korn trinken. Das macht mich traurig. Plötzlich verstehe ich, warum die Hirse in das Eisfach musste. Dinge ändern. Ansprüche haben. Jedenfalls da, wo es geht. Nicht bei genetischen Erbkrankheiten. Aber bei Hirse und Menschlichkeit.

 

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