Mein Sohn ist unheimlich sprachgewandt. Wo ich sage: „Hier hat Jemand gepupst!“, da stellt er fest, dass „eine Gasbildung im Zimmer liegt“.
Er hat auch einen einmalige, witzige Aussprache. „Aufn Pots-Daua“ erklärt er mir und meint damit den Post-Tower. Die Sprachmelodie und die Betonung der Sätze wirkt auf Menschen, die sich noch nicht „eingehört“ haben, als sei er kein Muttersprachler oder als spräche er Dialekt.
Wenn er Phantasiegeschichten erzählt, spricht er unglaublich blumig und detailreich. Sein Wortschatz ist für sein Alter wirklich groß, nicht nur bezogen auf seine Lieblingsthemen.
Trotzdem spricht er immer noch verwaschen und verschluckt die letzten Silben von längeren Wörtern. Einige Laute kann er nicht richtig artikulieren, er hat Probleme, Vokale aus einzelnen Worten herauszuhören und tut sich schwer mit dem Schreiben und Lesen. Manchmal vertut er sich beim Konjugieren der einzelnen Verben oder er vertauscht Gegensätze wie „morgen“ und „gestern“ oder auch „Mama“ und „Papa“. Deswegen geht er seit seiner Kindergartenzeit wöchentlich zur Logopädie. Bis wir vor zwei Wochen entschieden haben, dass er eine Erholungszeit braucht. Das Abwägen von der Notwendigkeit der Sprachtherapie und der Belastbarkeit seiner Psyche war leichter als gedacht. Als Eltern sich durchzusetzen und standfest zu bleiben, die eigene Entscheidung zu begründen und zu erklären, dass sie zum Wohle des Kindes gefallen ist, war schwieriger als gedacht.
Ich erkläre ihm, dass er nun ein paar Monate Pause machen darf. Zuhause üben wir trotzdem wöchentlich mit einem Heft, in das ich Bilder einklebe, die er beschriften soll. Wir üben lange und kurze Vokale. Er übt stillsitzen. Ich übe Geduld. Nach 20 Minuten ist die Seite voll.
„Frau S. hat gesagt, sie will alles aus mir rausholen, Mama, aber ich, ich will selber alles rausholen.“ erklärt er mir. Ja. Das soll er auch, das darf er.