Ganz normaler Trubel

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Eine Einladung zu einem Kindergeburtstag ist etwas besonderes. In den sieben Jahren kann ich an einer Hand abzählen, wer meinen Sohn eingeladen hat.  Die letzten zwei Jahre hat ihn sein einziger Freund eingeladen, ein autistischer Junge, den er noch aus dem Kindergarten kennt.  Dieser Junge war auch der einzige Gast bei seinem letzten Geburtstag. M. wollte kein anderes Kind einladen. Das ist vielleicht untypisch für einen siebenjährigen Jungen, aber ganz und gar nicht untypisch für unseren Jungen. Viel Trubel mag er nicht. Trubel macht er sich selber genug. Ich frage mich, wie ich das persönlich finde, dass er so selten eingeladen wird. Bin ich traurig darüber? Verpasst er etwas? Ist es ihm egal? Ist es mir egal?

Heute allerdings ist M. bei seinem Freund zur Geburtstagsfeier eingeladen. 35°C, Gartenparty. Wasserbombenschlacht. Jeder Gast bringt Badehose und Handtuch mit. Vorher: Eincremen mit Sonnencreme. Das schaffen meine Nerven nicht. Ich wittere einen Autismusanfall. Mein Mann verschwindet mit ihm im Schlafzimmer. Diskussion. Genöle. Das Gefühl, Creme auf der Haut zu haben ist schier unerträglich. „Gleich biber ich!“. Der Biber als Sinnbild für alles Garstige. Nach 20 Minuten und ein paar abschreckenden Bildern von schlimmen Sonnenbränden aus dem Internet ist er eingecremt und entbibert.

Das Geschenk ist eingepackt. Ich finde nur ein kleines Stück Monsterkindergeschenkpapier. Und zwei Rollen schnödes blaues Papier. Also blau einpacken und ein paar Monster draufkleben. Das soll das Kindchen mal machen. „Schneide doch ein paar Monster aus und klebe die da drauf, dann sieht das schöner aus und nicht so langweilig!“. Mein Vorschlag löst Widerstand aus. Die schönen Monster. Einfach ausschneiden? Ein Geschenk einpacken? Warum? Das Papier wird doch eh weggeschmissen. Vielleicht die angeschnittenen Halbmonster vom Rand des Papiers ausschneiden. Für den Freund nur 2. Wahl. Ich diskutiere. Dann soll er die Viecher aufkleben. Es endet im Streit. Biber. Zum Schluss sind die Monster auf dem Geschenk und die Laune im Keller. Erwarte ich zu viel?

Wir sitzen in der Bahn. Eingecremt und mit Geschenk. „Mama, wusstest Du, dass jetzt Ameisenflugzeit ist?“. Nein. So schnell wie seine Wut kam, so schnell geht sie wieder. Ameisenflugzeit also.

Kind zum Freund bringen, Tschüss sagen, Kind rennt ohne Tschüss in den Garten. 3,5 h Geburtstagsfeier.

Um halb sieben ist Abholzeit. Ich betrete den Garten. Ein heulendes Kind. Autismusanfall. Wut, Ohnmacht, Enttäuschung. „Ich will hier weg, sonst schlag ich alles!“. In Badehose und mit Tränen läuft er mit mir in den stillen Kellereingang. Ein anderer will trösten, wird beschimpft, bleibt trotzdem. Nicht gut. Geh, GEH! „Ich hau Dich gleich!“ Er geht. Versteht es nicht. Verstehen tu ich es ja auch nicht. Und er selber? Er erklärt es mir. Dann kommen da noch weitere Leute. Nicht gut. Schimpfen. „Geh weg du dumme Oma!“. Ich bleibe ruhig. „Alles ist okay. Die Oma holt nur ihren Enkel ab. Erzähl mir, was war.“  Am Ende: Ein Missverständnis. Er dachte, er bekäme keine Süßigkeiten, die anderen Kinder aber schon. Er darf auch die Türe greifen. Die Welt ist wieder in Ordnung. Schweißperlen auf meiner Stirn.

Auf der Rückfahrt reibt sich das Baby am Auge. Linse verrutscht. Linse richten. Arm festhalten. Baby schreit. Arm loslassen. Linse noch da? Nächste Station. Baby reibt sich das Auge. Linse noch da? Arm festhalten. Baby schreit. Nächste Station. Ablenken? Klappt nicht gut. Nächste Station. Immer so weiter.  Alles in Ordnung? Linse noch da? Nein. Dabei war es die Ersatzlinse. Gestern ist die andere im Auto der Tagesmutter verloren gegangen. Also neue bestellen. Bis die ankommt dauert es eine Woche. Eine Woche ohne Kontaktlinse. Eine Woche fast blind auf dem Auge. Das andere hat ja auch den grauen Star. Zwei Kinder unterm Arm. Bahnhof absuchen. Nichts. Ich biber gleich. Hau hier alles kurz und klein. Autismusanfall? Ach nee, ich bin ja die Mama. Ich bleibe ruhig. „Mama, wir müssen ihm doch eine Taucherbrille aufsetzen, dann kann die Linse nicht verloren gehen.“ 

20:00 Uhr. Viel zu spät Abendbrot. Auf der Feier gab es Würstchen mit Nudelsalat und Brot. M. aß: zwei Scheiben Baguettebrot und eine Nudel. Würstchen haben eine eklige Pelle. Der Nudelsalat eklige Zwiebeln. Satt ist er nicht. Na denn. Kinder abfüttern. Um 21:00 Uhr ist Ruhe. Vorher noch der abendliche Kleidungsstress. Bei 30° lange Hose zur Nacht?

Er ist nicht oft eingeladen zu Geburtstagsfeiern.Find ich nicht schlimm. Jedenfalls heute nicht. Trubel gibt es hier wirklich genug.

 

 

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