Jeden Tag geht es um die Kontaktlinsen. Jeden Tag ein Ringen und Kämpfen um die Sehkraft. In ständiger Sorge, dass sie aus dem Auge fällt. Und wenn es dann doch passiert: Suchen. Suchen. Suchen. Wut. Ohnmacht. Kontrolle. Verlust. Die Nerven liegen blank. Unverständnis und Verständnislosigkeit. 125€ kostet eine OP für ein Kind, das grauen Star hat (z.B. in einem Entwicklungsland). 150€ kostet eine Kontaktlinse für unser Kind. 3900€ hat unsere Krankenkasse bisher für die Kontaktlinsen ausgeben müssen. Im Schnitt pro Woche eine Kontaktlinse. Warum? Ungerechtigkeit. Ohnmacht. Ständig. Immer wieder.Es kostet Kraft. Er reibt sich im Auge. Er zieht sich Brille oder Augenpflaster ab. Er verliert die Linse. Er sieht schlecht. Jammert, beißt, haut, weint. Es ist ein Mitleiden. Jeden Tag. Ständig sind wir bei ihm. „Händchen runter, nicht im Auge fummeln!“ Weinen.
Was macht das mit ihm? Mit uns Eltern? Mit dem großen Bruder? Mit uns als Familie? Wohin mit der Wut? Immer wieder Suchen. Immer wieder Linse. Jeden Tag Linse. „Nein, keine Kissenschlacht, da kann die Linse rausfallen.“, „Ist die Linse noch im Auge, guck bitte mal!“, „Keiner rührt sich vom Fleck, die Linse ist weg! Los! Suchen!“ – und alle kriechen auf dem Boden. Oft finden wir sie nicht. Oder doch, aber zerbrochen. Dann wieder. Und wieder. Nichts sehen. Jammern. Und weinen. Wie ist es, keine Linsen zu haben? Was macht es mit uns? Es ist Nerven aufreibend. Es ist erschöpfend. Er braucht die Linsen. Wir brauchen sie. Wir mögen sie. Und doch könnte ich sie an die Wand pfeffern, denn sie sind Spielverderber. Und sie sind irgendwie auch die Augen. Für unser Kind.
Ich möchte die Energie, die ich täglich in das Thema Linse investiere, nicht als Wut auslassen. Nicht als Verzweiflung. Nicht in Tränen. In Streit. Nein. Ich möchte nicht, dass uns die Linse hat, dass sie die Kontrolle übernimmt. Über das wunderschöne, verschwommene, bunte, lebendige. Über uns.
Emotionen und Energie in Bildern. Ein Fotoprojekt um Emotionen Ausdruck zu verleihen. Um Energie produktiv werden zu lassen. Um Wut zeigen zu dürfen. Um Freude zeigen können. Hauptdarsteller: der große Sohn. Autistisch. Künstlerisch. Einmalig. Emotional. Und: Linsen. In allen Formen. Nebendarsteller: der Rest der Familie. Und: ein Hammer.
Ein Gedanke zu “Linsen. Ein Fotoprojekt. Emotionen in Bildern.”